Das Recht auf Vergessen

In zwei Fällen hat sich der Bundesgerichtshof (BGH – VI ZR 405/18 und VI ZR 476/18) kürzlich mit dem Recht auf Vergessenwerden beschäftigt.

In einem Fall erging eine Entscheidung, die aufzeigt, nach welchen Kriterien Personen Einträge bei Suchmaschinen wie Google löschen lassen können. Der ehemalige Geschäftsführer eines regionalen Wohlfahrtsverbandes klagte, weil er verhindern wollte, dass bei der Google-Suche nach seinem Namen insbesondere ein Pressebericht aus dem Jahr 2011 in der Trefferliste erscheint. Aus diesem Bericht ging hervor, dass der Regionalverband in seiner Amtszeit ein Defizit von etwa einer Million Euro aufwies und er sich in der Krise krankgemeldet hatte. Der BGH wies die Klage ab. Im Gegensatz zum Europäischen Gerichtshof (EuGH) stellt der BGH fest, dass immer eine umfassende Grundrechtsabwägung vorgenommen werden muss, bevor ein Anspruch besteht, einen kritischen Pressebericht aus der Trefferliste einer Internetsuchmaschine zu entfernen. Dabei stehen sich die Grundrechte der betroffenen Personen auf Schutz der Privatsphäre und ihrer personenbezogenen Daten den Grundrechten des Suchmaschinenbetreibers auf unternehmerische Freiheit und Freiheit der Meinungsäußerung gegenüber. Dazu kommt das Recht der Nutzer der Suchmaschine auf Informationsfreiheit. Im seinem Urteil aus 2014 (Google-Spain), in dem der EuGH erstmalig ein Recht auf Vergessenwerden feststellte, führte er aus, dass dem Persönlichkeitsrecht der betroffenen Person immer Vorrang zu geben sei, es sei denn, es handele sich um eine Person, die im öffentlichen Leben eine besondere Rolle spiele. Der BGH kommt nun zu dem Ergebnis, dass in jedem Einzelfall die Grundrechte der Beteiligten abzuwägen seien. Damit schließt er sich der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts an, die Ende 2019 ergangen war (1 BvR 276/17 – Recht auf Vergessen II). 

Ein weiterer Fall, bei dem es um Informationen ging, deren Wahrheitsgehalt umstritten ist, wurde an den EuGH verwiesen. Kläger sind ein Finanzdienstleister-Ehepaar, das von einer US-Webseite als unseriös dargestellt wurde. Das Ehepaar warf den Amerikanern vor, es berichte falsch, um die Betroffenen zu erpressen. Hier war umstritten, ob die von Google verlinkten Informationen korrekt waren. Google lehnte den Auslistungsantrag ab, man könne nicht beurteilen, ob die US-Berichte korrekt seien. Ihren Anspruch auf Löschen gründen die Kläger auf Art. 17 Abs. 1 der Datenschutzgrundverordnung (DS-GVO). Der BGH hat den Fall nun dem EuGH zur Vorabentscheidung vorgelegt, weil der Gerichtshof der EU für die Auslegung der DSGVO zuständig ist. Der BGH hat zugleich dem Ehepaar vorgeschlagen, wie es weiter vorgehen solle. Im Eilverfahren könne es die US-Webseite verklagen, um den Wahrheitsgehalt der Berichte zu klären. Wird die Unwahrheit der Berichte festgestellt, habe das Ehepaar gegenüber Google einen Anspruch auf Auslistung der Berichte wegen Fehlerhaftigkeit.

Sobald der EuGH entschieden hat, kommt der Fall wieder an den BGH zurück.

Je prominenter der Betroffene und aktueller der Eintrag ist, desto schwieriger dürfte demnach die Durchsetzung der Löschung nach der aktuellen höchstrichterlichen Rechtsprechung in Deutschland sein.  

Dr. Verena Jütte

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